Große Tatzen und kleine Zähne
Eine Geschichte von großen und kleinen Taten

In einem Zauberwald, ganz in der Nähe, lebte einst eine große, stattliche Löwin.
Sie war die Königin des Waldes. Wenn ihre gefürchteten Tatzen den Boden berührten, dann so leise, dass niemand es hörte.
Und so überraschte die Löwin eines Tages ein Haselmäuschen.
Dieses knabberte gerade an einer Nuss und war so in seinem Tun versunken, dass es die leisen Tatzen nicht hörte.

Erst als die Schnurrhaare der Löwin die Mäuseohren kitzelten, bemerkte sie es. Doch da war es schon zu spät.
Die Löwin riss das Maul weit auf und schwupp die wupp,
baumelte das Mäuseschwänzchen bereits zwischen den scharfen Zähnen der Wildkatze.
„Friss mich nicht“, piepste das Mäuschen, das mit den Beinchen in der Luft zappelte, „Ich verspreche dir, wenn du mich jetzt loslässt, dann werde ich dir eines Tages einmal aus der Patsche helfen.“
Diese Worte brachten die Löwin so zum Lachen, dass sie das Maul weit aufsperrte.
Das Mäuseschwänzchen war sogleich frei und die Haselmaus verschwand geschwind hinter dem nächsten Baum.
Die Löwin nahm es gelassen. Sie hatte sowieso keinen großen Hunger gehabt.
Und dass die Maus ihr einmal helfen könne, nun ja, daran glaubte die große Wildkatze auch nicht.
Nichts und niemand konnte es schließlich mit ihr aufnehmen, dachte sie und legte sich für ein Weilchen schlafen.

Hätte die Löwin nicht so gerne geschlafen, hätte sie vielleicht die Jägerin gehört, die durch den Wald gestapft kam, um Fallen aufzustellen.
Doch so kam es, wie es kommen musste.
Die Löwin tappte in eine dieser Fallen hinein und hui…
Ein großes Netz sprang zu und die Löwin war darin gefangen, wie eine Fliege im Spinnennetz.
Oh, wie die Löwin knurrte und fauchte. Doch es nützte nichts, das Netz zog sich immer weiter zu, um so mehr sie strampelte und zerrte.
Von all dem Lärm wurde die kleine Haselmaus angelockt.
Sie lief flink näher und besah sich das große Häuflein Elend in der Falle. Dann kitzelte sie die Löwin an ihren Schnurrhaaren und piepste: „Keine Bange. Du hast mich einmal verschont. Daher hast du jetzt was gut bei mir.“

Und als wäre es eine riesige, köstliche Haselnuss, begann die Maus an dem Netz zu nagen.
Ein Schnürchen nach dem anderen löste sich daraus.
Die Löwin drehte ihre Augen hin und her. Noch war sie gefangen, doch die Maus knabberte und knabberte.
Und nach einer kurzen Weile staunte die Löwin nicht schlecht.
Sie konnte bald ihren Kopf wieder drehen, dann das große Maul weit aufsperren und oh…
endlich waren ihre leisen Tatzen wieder frei.
Das Netz fiel zu Boden und die Löwin betrachtete es ungläubig.
„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte die Königin des Waldes kleinlaut.
Die Haselmaus kicherte, verbeugte sich und verschwand schnell wieder im Wald.
Maus wusste ja nie, wann eine Löwin wieder auf dumme Gedanken kommen würde.
Glücksnotiz für Dich
Auch die kleinste Haselmaus kann die Welt verändern 🙂
2024, Anna Voge, sehr frei nacherzählt, nach einer Fabel von Äsop
(Bilder mit Canva erstellt)
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